Berta in Burlo

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Flachs begleitet und führt und diesen August durch halb Nordeuropa. Mit Berta auf Tour zu sein bedeutet viele wunderbare Faser-Menschen zu treffen, neue Leinen- und Flachstraditionen kennen zu lernen, hunderte Kilometer auf der Straße zu verbringen und dem Wetter zu trotzen. Das mit dem Wetter haben wir schon am ersten Tag bewiesen. Die Fahrt von Julbach nach Burlo (800 Kilometer, reine Fahrzeit 9 Stunden) war nass. Die erste Nacht vor Ort noch nässer und so windig, dass den Campnachbarn buchstäblich das (Vor)Dach weggeflogen ist. Rund um unseren Bus hat sich ein Meer gebildet und mir um 7 Uhr früh schon nasse Füße beschert. Aber was tut man nicht alles für den Flachs.

Der Name Burlos dieses verschlafenen Städtchens im Münsterland (Nordreinwestfalen), geht zurück auf das Wort Bu(e)r, gleichbedeutend mit Bauer, die zweite Silbe leitet sich ab von Loh bzw. Loe und bedeutet so viel wie lichter Wald, oder Laubhain. Die Niederlade sind nur einen Steinwurf entfernt und über die grüne Grenze mit dem Rad in 15 Minuten zu erreichen. Darum war es auch eine Niederländerin, Anja Roerdink die mich und Berta zum Vortrag nach Burlo eingeladen hat.  Anja gehört zu den „Achterhoekse Vlasspinners“, die das Wissen um den Flachs und seine Verarbeitung lebendig halten. Schon drei Mal haben sie im Frühjahr die Aktion „Bauen Sie Ihren eigenen Quadratmeter Flachs wieder auf!“ gestartet und dabei Samen für jeweils einen Quadratmeter Flachs verschenkt. Hüben wie drüben, also in Deutschland und den Niederlanden wird dank ihr wieder fleißig Flachs gesponnen.

Bäuerliche Textilversorgung

Die Region Nordreinwestfalen war bis weit in das 19. Jahrhundert hinein ein Flachsanbaugebiet und die Weberei schon im Hochmittelalter ein bäuerliches Gewerbe. Die Produktion von Textilien diente aber lange überwiegend nur zur Deckung des Eigenbedarfs. Von der Blüte des Gewerbes der Woll- und Leinenweberei, die beispielsweise Dortmund, Köln und Soest im Mittelalter erlebten, blieb das Münsterland weitestgehend ausgeschlossen.

Anders im Ravensberger Land rund um Bielefeld. Rasch etablierte sich Westfalen zu einem der Zentren des deutschen Leinenanbaus und seiner Verarbeitung.  Wichtigster Abnehmer westfälischer Gewebe waren die Niederlande. Von hier aus wurde die Ware weiter nach Übersee exportiert. In den Export gingen seit dem 16. Jh. auch feine Leinengarne aus dem Ravensbergischen, die nach ihrer Veredlung in Elberfelder Bleichereien und Zwirnereien in der blühenden Spitzenherstellung der Niederlande verarbeitet wurden.

Billige Baumwolle bedrängt den Flachs

In der Stadt Brakel gab es zwischen 1838 und 1842 eine Spinnschule für feines Garn. Sie wurde mit staatlichen Zuschüssen errichtet und hatte über 50 Schülerinnen, die in Fein-, später in Grobspinnerei ausgebildet wurden. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts war die Industrialisierung dann nicht mehr aufzuhalten. Aus Brake wurde 1820 berichtet: „So schwer auch die Napoleonische Zeit auf dem Lande gelastet hatte, der schwerste Schlag stand dem Wirtschaftsleben noch bevor, als 1820 von England her Spinnmaschinen in Wettbewerb traten mit den fleißigen Spinnhänden und als das Leinen in der billigen Baumwollware eine scharfe Konkurrenz erwuchs. Es entstand eine Wirtschaftskrise, die manche Familie in Brake Not und Elend brachte. Sie übertrug sich auch auf die großen Bauern, welche ihre Produkte nicht mehr loswerden konnten oder zu niedrigen Preisen verschleudern mussten. Oft waren die Menschen des mühseligen Lebens hier überdrüssig, folgte dem Lockruf nach Amerika und wanderte aus."

Auch Anja erzählte, dass zu Beginn des 20.Jahrhunderts kaum mehr Flachs in der Region angebaut wurde, wenngleich man mit etwas Glück noch schönes altes Leinen kaufen kann.

Flachsofen als Traditionsretter

Zum Vortrag über Bertas Flachs fanden sich dann 35 Interessierte im Heimathaus Burlo ein. SpinnerInnen,  Klöpplerinnen, TextilerInnen und Handwerksinteressierte. Darunter auch Claudius van 't Westende Meeder mit seiner Familie, der seit kurzem einen alten Flachsofen von 1825 revitalisiert und ebenfalls daran arbeitet, die Geschichte der Region nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. https://vlasoventeveene.nl/

Danke Anja, für die Einladung und die wirklich schöne Veranstaltung in Burlo und die ersten Ideen für einen Besuch der Deutsch/Niederländischen Spinnerinnen im Mühlviertel werden schon gesponnen.


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